Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Dresden e. V.

Verkehrsplanung hat eine soziale Dimension

Auslastung Parkhäuser © ADFC Dresden

Ein Debattenbeitrag zur verkehrspolitischen Diskussion im Stadtrat

Zwischen dem Einkommen und der Art der Fortbewegung besteht ein enger Zusammenhang. Das Einkommen beeinflusst nicht nur, wie oft und lange Personen unterwegs sind. Auch bei der Wahl des Verkehrsmittels spielt das Einkommen eine Rolle. Geringverdienende nutzen den ÖPNV überdurchschnittlich viel und Menschen mit hohen Einkommen fahren vorzugsweise Auto. Das Fahrrad hingegen nutzen Menschen aller Einkommensgruppen ähnlich oft. Die Frage, welche Bedingungen für welche Verkehrsarten bereitgestellt werden, ist dadurch auch eine soziale Frage. Mit Bezug auf die derzeitige Debatte um erhöhte Parkgebühren zeigt die aktuelle kommunale Bürgerumfrage aus Dresden einen wichtigen Punkt: Menschen mit einem hohen Einkommen legen viel Wert auf Parkplätze, für Menschen mit einem geringen Einkommen ist diese Frage dagegen nachrangig.

Die Kommunale Bürgerumfrage der Landeshauptstadt Dresden 2020 ermittelte neben vielen anderen Aspekten auch, mit welchem Verkehrsmittel die Dresdnerinnen und Dresdner täglich unterwegs sind. Die Ergebnisse lassen sich dabei nach dem Haushaltseinkommen der Befragten auswerten. Sie zeigen: Die Wahl des Verkehrsmittels hängt eng damit zusammen, wie hoch das Einkommen ist. Während den ÖPNV überdurchschnittlich Geringverdiener nutzen und gutverdienende Menschen mehr Wege mit dem Auto zurücklegen, gibt es beim Radverkehr keinen erkennbaren sozialen Schwerpunkt auf einer bestimmten Einkommensgruppe. Ganz im Gegenteil: Für ihre alltäglichen Wege nutzen Geringverdiener das Fahrrad nahezu genauso oft wie Menschen am oberen Ende der Einkommensskala. Das Fahrrad ist damit ein sehr einkommensunabhängiges Verkehrsmittel.

Rund 48% der Haushalte, mit einem Nettoeinkommen unter 1.000€ nutzen täglich Bus oder Straßenbahn. Mit steigendem Einkommen sinkt die ÖPNV-Nutzung, bis sie in der Einkommenskategorie über 4.000€ mit rund 18% den niedrigsten Wert erreicht. Menschen mit hohem Einkommen legen hingegen einen deutlich höheren Anteil ihrer Wege mit dem Auto zurück. Während nur 5% der Haushalte mit einem Einkommen bis 1.000€ täglich das Auto nutzen, sind es in der Kategorie 1.000€ bis 2.000€ rund 21%, bei Haushalten mit einem Einkommen zwischen 3.000€ und 4.000€ steigt der Anteil auf rund 35%. Am höchsten ist der Wert bei Menschen mit einem Einkommen über 4.000€. Hier liegt der Anteil täglicher Autonutzer bei 38%. Beim Fahrrad ist die Kluft zwischen den Einkommen deutlich geringer. Das Rad als tägliches Verkehrsmittel nutzen Menschen mit hohem Einkommen nahezu genauso oft wie Menschen der niedrigsten Einkommensgruppe. Bessere Fahrradinfrastruktur hilft dabei, den Anteil der Radfahrenden zu erhöhen und zwar über alle Einkommensgruppen hinweg.

Bundesweite Studie stützt Ergebnisse der Kommunalen Bürgerumfrage

Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Verkehrsmittelnutzung ist keineswegs nur ein Dresdner Phänomen. Das deutschlandweite Verkehrspanel Mobilität in Deutschland (MiD) zeigt, dass dieser Befund auch über Dresden hinaus gilt. Im Model Split liegt der Anteil der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege unabhängig vom Einkommrn im Bereich von 10% bis 12%. Der Anteil der mit dem Auto zurückgelegten Wege zeigt eine deutliche Kluft: Bei Personen mit sehr niedrigen Einkommen beträgt er 33%, während bei Befragten mit einem mittleren, hohen oder sehr hohen Einkommen der Anteil jeweils bei über 40% liegt, also mindestens 10 Prozentpunkte höher.

Verkehrsplanung ist auch eine soziale Frage

Wenn die Wahl des Verkehrsmittels unmittelbar mit dem Einkommen zusammenhängt, so hat natürlich auch die Aufteilung städtischer Flächen für die unterschiedlichen Vekehrsarten eine soziale Dimension. Die unterscheidlichen Verkehrsarten konkurrieren teils erbittert um den Straßenraum, denn insbesondere in den Innenstädten sind die Flächen begrenzt. Entscheiden Stadtverwaltungen und Kommunalpolitiker sich für Parkplätze und gegen Radwege, oder für den Ausbau von Straßen und gegen sicheres, komfortables Radfahren, so treffen sie damit nicht nur eine planerische Entscheidung, sondern begünstigen oder benachteiligen auch bestimmte soziale Gruppen.

Einzig beim Verkehrsmittel Fahrrad ist das nicht so. Sowohl die kommunale Bürgerumfrage, als auch MiD zeigen, dass sich der Anteil von Radfahrenden in jeder Einkommensgruppe ähnelt. Der Bau von Radwegen ist somit die sozial gerechteste Förderung einer Verkehrsart.

Angehobene Parkgebühren könnten die Verkehrsmittelwahl lenken

Seit zwei Jahren debattieren Kommunalpolitiker, die Stadtverwaltung und die Öffentlichkeit teils erbittert daüber, ob und wie stark sie die Parkgebühren anheben wollen. Im Zusammenhang mit dem Beschluss des städtischen Haushalts für 2021/22 nimmt diese Debatte nun erneut Fahrt auf.

Seit 15 Jahren hat der Dresdner Stadtrat die Parkgebühren nicht angehoben. Durch ihre niedrige Höhe entfalten sie kaum noch eine Lenkungswirkung hin zu stadtverträglichen und umweltfreundlichen Verkehrsmitteln. Nicht nur das: Mit den geringen Beträgen für das Parken im öffentlichen Straßenraum können privat betriebene Parkplätze oder Tiefgaragen nicht mithalten. Sie sind daher meist kaum ausgelastet.

Wer hingegen mit Straßenbahn und Bus unterwegs ist, konnte sich nicht auf derart großzügige Entscheidungen der Kommunalpolitiker verlassen. Die Preise für eine Einzelfahrt der DVB wurden zwischen 2004 und 2021 um 47% erhöht, während das Abstellen eines Pkw in der Innenstadt heute immer noch genauso viel kostet wie im Jahr 2004. Berücksichtigt man die Inflation, so hat sich ein Parkticket seitdem sogar um knapp 20% verbilligt. Nicht nur das: Steigende Ticketpreise belasten zum Großteil einkommensschwache Haushalte, während unverändert niedrige Parkgebühren insbesondere wohlhabende Haushalte subventionieren. Diese Schieflage soll mit steigenden Gebühren ausgeglichen werden.

Geringverdienende profitieren nicht von niedrigen Parkgebühren

Auch die Dresdner selbst beurteilen die Wichtigkeit von Parkmöglichkeiten für den Pkw in Abhängigkeit von ihrer Einkommenssituation sehr unterschiedlich. 34% der Haushalte der niedrigsten Einkommensgruppe stufen das Thema als sehr wichtig oder wichtig ein. Dieser Anteil steigt in Abhängigkeit vom Haushaltsnettoeinkommen stark an. In der Einkommensgruppe 2.001€ bis 3.000€ halten 73% Parkmöglichkeiten für ein sehr wichtiges oder wichtiges Thema.

Da sie nur wenig mit dem Auto unterwegs sind, profitieren Haushalte mit niedrigen Einkommen auch kaum von niedrigen Parkgebühren. Nur rund 21% der Haushalte mit einem Monatseinkommen bis 1.000€ haben überhaupt ein eigenes Auto. In allen anderen Gruppen liegt der Anteil wesentlich höher. 89% der Haushalte mit einem Nettoeinkommen zwischen 3.000 und 4.000 Euro und 91% der Haushalte mit einem Nettoeinkommen über 4.000 Euro verfügen über ein motorisiertes Fahrzeug oder mehrere.

Der verkehrspolitische Sprecher der LINKEn Fraktion im Dresdner Stadtrat kritisiert die „Gentrifizierung öffentlicher Angebote“ durch erhöhte Parkgebühren. Von weiterhin niedrigen Parkgebühren profitieren jedoch vor allem einkommensstarke Haushalte. Auch eine “#Ökogentrifizierung”, wie es auf Twitter hieß, ist durch Fakten kaum zu belegen. Einen weiteren Anreiz zu schaffen, dass mehr Menschen auf das Rad umsteigen, wird keine soziale Gruppe bevorrechtigen oder benachteiligen. Es wäre aber ein Schritt, durch gerechte Flächenverteilung eine soziale Verkehrsplanung voranzubringen. Auch das passt ins Bild der kommunalen Bürgerumfrage. Als zweitwichtigstes Anliegen überhaupt, unmittelbar nach der Sorge vor steigenden Mietpreisen, nannten die Dresdner den Ausbau des städtischen Radwegenetzes.

 

2020 komm buergerumfrage taegl verkehrsmittelnutzung © Landeshauptstadt Dresden und ADFC Sachsen
2020 komm buergerumfrage taegl verkehrsmittelnutzung © Landeshauptstadt Dresden und ADFC Sachsen
2020 komm buergerumfrage verkehrsmittelnutzung © Landeshauptstadt Dresden und ADFC Sachsen
2020 komm buergerumfrage verkehrsmittelnutzung © Landeshauptstadt Dresden und ADFC Sachsen
Preise Bahn Parken © Konrad Krause
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Konrad Krause

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