Von Peter Hilbert
Schon fünf Monate rollt der Verkehr über die Albertbrücke. Jetzt ist wieder eine Debatte über das berühmte Doppelgeländer entflammt. Stadtrat Holger Zastrow fordert, das höhere Geländer wieder abzureißen. Neben einem getrennten Geh- und Radweg ist es nicht nötig, argumentiert der Fraktionschef von FDP und Freien Bürgern. Das viele Steuergeld hätte besser für die dringende Sanierung von Fußwegen oder den Bau von Radwegen eingesetzt werden können, argumentiert Zastrow.
Nils Larsen ist froh, jetzt so unerwartet Unterstützung zu bekommen. Schließlich gilt Zastrow als Vertreter der Autolobby. Und Larsen ist Vorstand im Allgemeinen Deutschen Fahrradclub Dresden (ADFC). Der fordert jetzt, die Radspuren auf die Straße zu verlegen. Damit würde die Albertbrücke zum Nadelöhr für Autos. Von vier würden zwei Fahrspuren wegfallen.
Der ADFC glaubt, gute Gründe dafür zu haben. Die Brücke wird laut jüngster Zählung von knapp 15.000 Autos täglich überquert. Das ist verhältnismäßig wenig. Der abgetrennte Radweg sei mit 1,60 Metern neben dem Fußweg viel zu schmal. Es sei nur für schwachen Verkehr mit 100 Radlern pro Stunde ausgelegt. In Spitzenstunden kommen aber über 1.000 Radfahrer, rechnet Larsen vor. Wegen des Weges musste das höhere Doppelgeländer gebaut werden. „Das ist vielen Dresdnern ein Dorn im Auge und aus Sicht des ADFC von vornherein unnötig“, sagt er.
Deshalb sollte jetzt die Konsequenz gezogen werden. Die Radspuren könnten verlegt und das Doppelgeländer abgebaut werden. „Das wäre auf jeden Fall eine vernünftige Lösung“, ist der 32-Jährige überzeugt. Für den Verkehr würde beim jetzigen Aufkommen auch eine Spur in jede Richtung ausreichen.
Autos und Straßenbahnen im Stau
Fraktionschef Zastrow ist von dem ADFC-Vorstoß ganz und gar nicht begeistert. Das Doppelgeländer könne auch ohne eine Veränderung auf der Albertbrücke abgebaut werden, reagiert er. „Jetzt den Radweg auf die Fahrbahn zu verlegen und dafür in jede Fahrtrichtung jeweils eine Autospur wegzunehmen und den Autoverkehr vollständig auf die Straßenbahngleise zu verlegen, lehnen wir ab“, so Zastrow. Das ginge auf Kosten des Nah- und Kfz-Verkehrs und hätte erheblich Auswirkungen.
Rückendeckung bekommt er vom ADAC Sachsen. „Es würde nicht funktionieren, den Verkehr auf nur eine Spur zu verlegen“, sagt Verkehrsingenieur Markus Löffler. „Dann würden Pkws und Straßenbahnen auf der Gleistrasse im Stau stehen.“ Sicher sei der Verkehr jetzt noch nicht allzu stark. Aber erfahrungsgemäß brauche es bei so einer Wiedereröffnung erst einige Zeit, bis sich alles einpendelt.
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Kommentar: Eine gute Lösung
Die Aufteilung der Wege und Spuren auf der Brücke findet der ADAC-Verkehrsexperte gut. „Da kann man nichts Sinnvolleres finden“, sagt er. Allerdings sollten sich alle an die Regeln halten. Bei den schmalen Radwegen müsste dann eben auch mal ein schnellerer hinter dem langsameren Radfahrer bleiben.
Für die Stadt ist der ADFC-Vorschlag nicht neu. Der kam bereits beim Genehmigungsverfahren, der sogenannten Planfeststellung, erklärt Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne). Schon 2011 sei dies von der Landesdirektion als nicht umsetzbar abgelehnt worden. „Denn das würde zu Problemen beim Verkehr führen“, erläutert er. Laut einer Prognose für 2030 soll der Fahrzeugstrom nach der Anfangsphase erheblich zunehmen und auf 25.000 Autos pro Tag wachsen. Über viele Jahre lag die Zahl bei 33.000 Kfz, nach Eröffnung der Waldschlößchenbrücke sank sie auf rund 24.000. Eine Einengung bei nur zwei Fahrspuren hätte zudem erhebliche Auswirkungen durch Staus. Dann würden viel mehr Abgase in die Luft geblasen.
13 Millionen könnten futsch sein
Als zweites Problem führt Schmidt-Lamontain die nötigen Anschlüsse der breiteren Radwege auf der Straße an. Dafür müssten die Kreuzungen an den Brückenenden wieder umgebaut werden, was mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist.
Doch damit nicht genug. „Wir haben den Stadtratsbeschluss und die Planfeststellung für die jetzige Variante“, nennt er das dritte Problem. Wenn alles geändert werden soll, müsste das Verfahren wieder aufgerollt werden. Die Frage ist auch, was mit den Fördermitteln wird. Von denen sind rund 13 Millionen Euro für die genehmigte Variante geflossen. „Wir haben eine Sperrfrist von zehn Jahren. Höchstwahrscheinlich müssten wir dann die Fördermittel zurückzahlen“, sagt er. Das Doppelgeländer könnte in dem Fall zwar abgebaut werden – jetzt jedoch nicht. „Solange der Radweg nicht baulich vom Fußweg getrennt ist, bekommen wir es nicht weg. “ Das sei eine Frage der Sicherheit, für die seine Behörde zuständig ist.
Sächsische Zeitung, Freitag 17.02.2017