Radverkehrsbeauftragter stellt sich dem Radvolk
Vor zwei Jahren beschloss der Stadtrat, dem Radfahren mehr Gewicht zu geben. Neben verschiedenen Sofortmaßnahmen sollte die Verwaltung auch auf lange Sicht fahrradfreundlicher werden. Seitdem haben wir einen Zuständigen für Radverkehr, eine Einrichtung, für die wir lange gekämpft haben. Nach zwei Jahren war es Zeit, darüber zu diskutieren, was geschafft wurde und wo es hakt.
Auf unsere Einladung kam Anfang Juni der Dresdner Radverkehrsbeauftragte Peter Tatzel zu uns, um zwei Stunden mit uns zu diskutieren. An Fragen mangelte es nicht, eher an der Zeit, sie alle zu beantworten.
Die Verwaltung hat sich verändert
Skepsis ist Herr Tatzel gewohnt, wenn er mit dem ADFC zu tun hat. So war klar, dass diese Veranstaltung kein Kaffeekränzchen wird. Aber obwohl es keinen Kaffee gab, haben wir uns gut vertragen.
Herr Tatzel verwies gleich am Anfang darauf, dass sich die Verwaltung seit den Stadtratsbeschlüssen spürbar verändert hat. Das Fahrrad hat einen anderen Stellenwert eingenommen. In der Zwischenzeit sei es selbstverständlich, dass bei Planungen an Radfahrer gedacht wird. Ämter, die zuvor nichts mit Radverkehr am Hut hatten, kommen heute mit eigenen Ideen.
Ihm sei aber auch klar, dass trotzdem nicht alles immer in unserem Sinne entschieden wird. Nicht jeder Bearbeiter hat das nötige Wissen. Herrn Tatzel sei es auch nicht möglich, in jede Planung zu schauen und überall Mitspracherecht einzufordern. Das gibt sein Zeitbudget einfach nicht her. Zudem hat er auch nicht das letzte Wort, wenn es ums Fahrrad geht. „Entschieden wird letzen Endes woanders“, sagt er, ein Satz, der noch häufiger zu hören war.
Poller als Lehrbeispiel
Und da traf er gleich ins Schwarze, ein Zuhörer beklagte sich über die Poller, die mitten auf den neuen Radweg zwischen Weißig und Ullersdorf gesetzt wurden. Während auf dem Elbradweg die gefährlichen Stangen komplett verschwunden sind, wurden im Hochland neue gesetzt. Weiß die eine Hand nicht was die andere tut?
An diesen Pollern fand sich ein Lehrbeispiel um zu zeigen, wie Tatzels Arbeit läuft und welche Probleme sich in der Verwaltung aufbauen. Wieder kam der unterschiedliche Wissenstand bei den Mitarbeitern ins Gespräch, wieder der Satz, dass letzen Endes andere die Entscheidungen treffen, wieder zeigte sich, dass seine Zeit nicht ausreicht. Aber er versprach, sich zu kümmern.
Neidischer Blick in den Westen
Überhaupt: die Zeit. Etwas neidisch erzählte er von einem Gespräch eines westdeutschen Kollegen. Der fahre vormittags mit dem Fahrrad durch die Stadt um den Nachmittag zu nutzen, die erkannten Probleme anzugehen. Den ganzen Tag hat Herr Tatzel aber nicht zur Verfügung. Der Radverkehrsbeauftragte ist eher sein Nebenjob, den Großteil der Zeit benötigt er für die innerstädtischen Ortsämter, die er als Planer zu betreuen hat. Diese Arbeit macht ihm Spaß, alles zusammen sei aber nicht zu schaffen.
Für uns bestätigt das umso mehr die Notwendigkeit seiner Stelle. Gegenüber dem ADFC hieß es immer, ein Radverkehrsbeauftragter würde nicht benötigt, das könnten die Ämter nebenbei erledigen. Die Praxis zeigt, wie wichtig er doch ist.
Freistaat verschläft Chancen
Enttäuscht ist Herr Tatzel vom Freistaat. Sachsen hat sich ein wunderbares Radverkehrskonzept geschenkt, aber passieren tut nichts. So wartet er vergeblich auf die versprochenen Weiterbildungsangebote für die kommunalen Angestellten. Der im Konzept betonte Erfahrungsaustausch zwischen den Städten findet nicht statt.
Überhaupt scheint der Freistaat ein Bremser zu werden. Die vom Stadtrat beschlossene Freigabe von Einbahnstraßen hat Tatzels Kollegen unheimlich viel Arbeit gemacht, weil das Regierungspräsidium für jede Einbahnstraße ein bürokratisches Verfahren einfordere. In anderen Bundesländern ginge das viel einfacher. Das Ergebnis des unheimlichen Aufwandes ist bescheiden. Von unzähligen überprüften Einbahnstraßen können nur wenige kurzfristig geöffnet werden. Auch scheint der Weiterbildungsbedarf bei den Landesbehörden viel größer zu sein als in der Stadt. Viele fahrradfreundliche Lösungen würden dort auf taube Ohren stoßen.
Baustellen bleiben ein Problem
Mehrere Zuhörer sprachen das Problem Baustellen an. Hier werden systematisch Richtlinien missachtet und Radfahrer gefährdet. An der kleinen Marienbrücke wird ohne erkenntlichen Grund das Radfahren verboten, immer fehlen Rampen und Absicherungen. Gleichzeitig werden Unsummen ausgegeben, damit Autofahrer mehrspurig durch die Baustellen kommen.
Hier wurde der Beauftragte wortkarger. Dem einen seien die Radfahrer eben wichtiger, den andern nicht. Er will sich bemühen, mit dem ADFC ein Treffen zu organisieren, in dem die Probleme angesprochen werden. Ein Verfahren, um immer wiederkehrende Mängel zu erkennen und solche Fehlentwicklungen abzustellen, gibt es in Dresden nicht. Qualitätsmanagement in der Stadtverwaltung – Fehlanzeige!
Politiker müssen ran
Seinen eigenen Erfolg will Herr Tatzel daran messen, wie viele Dresdner aufs Fahrrad steigen. Da hat Dresden gegenüber Leipzig schon gut aufgeholt. Mit dem, was seit seiner Benennung zum Radverkehrsbeauftragten geschafft wurde, sei er im Wesentlichen zufrieden.
Von den Politikern wünscht sich der Radverkehrsbeauftragte mehr Rückhalt. Zu oft werden im Verkehrsausschuss gute Radverkehrslösungen abgewählt, um ein wenig mehr für Auto oder Bahn herauszuholen. Die Zusammenarbeit mit dem ADFC sieht Tatzel hingegen insgesamt positiv.
Nach der Veranstaltung verlagerten wir die Diskussion in die Kneipe des Riesa efau, wo der warme Tag mit dem einen oder anderen wohlverdienten Bier endete. Insgesamt haben wir ein gutes Gefühl mit unserem Beauftragten. Wir freuen uns auf das nächste Jahr: eine solche Veranstaltung wird es sicher wieder geben.